Die bewegte Geschichte der Linthkorrektion
Sichere Lebensgrundlagen schaffen
Hochwasser und die ständige Überflutung der oberen Linthebene und der Gestade am Walensee bedrohten im späten 18. Jahrhundert Leben und Lebensgrundlagen der Bevölkerung. Der ungeregelte Lauf der Linth erschwerte aber auch die Nutzung des Flusses als Schifffahrtsweg nach Zürich und beeinträchtigte den Handel über die Alpenpässe. Schiffer und Kaufleute drängten als Erste auf eine Korrektion des Flusses. Die «Linthkantone» Glarus, Schwyz und Zürich nahmen sich des Problems an. In den 1780er-Jahren wurde die «Spettlinth» schiffbar gemacht.
Johann Heinrich Troll: Blick vom Biberlikopf auf den Walensee vor der Linthkorrektion, 1803.
Der Escherkanal
1784 entwarf der Berner Andreas Lanz (1740–1803) im Auftrag Zürichs ein Wasserbauprojekt für die Glarner Linth. Es sah unter anderem die Umleitung des Flusses in den Walensee vor. Der See sollte als Geschiebesammler und Ausgleichsbecken dienen. Diese Idee des Molliserkanals (Escherkanals) nahm Hans Konrad Escher wieder auf. Sein Vorhaben fand Unterstützung beim Glarner Ratsherrn Conrad Schindler und beim Berner Architekten Daniel Osterried. Die Eidgenössische Tagsatzung genehmigte die Linthkorrektion am 28. Juli 1804. Escher konnte seine Pläne umsetzen. Die Bauarbeiten am Escherkanal dauerten von 1807 bis 1811.
Plan von Hans Konrad Escher, 1804. Die eingezeichnete Korrektion mit feinen roten Linien ist erkennbar.
Bauen mit Hilfe der Natur
Bauen um 1800 bedeutete strengste Handarbeit mit der Schaufel – ohne Bagger – und Transporte von Hand oder mit Pferdewagen. Zudem war die ganze Linthebene sumpfig und die Baustellen liessen sich damals nicht trockenlegen.
Raffinierte Wasserbaukunst sollte den Bau aber erleichtern: Man wählte natürliche Methoden, um die «Natur zu verbessern», um die Kraft des Wassers gezielt für die Korrektur des Flusses zu nutzen. Da Escher selber ein Laie im Wasserbau war, wurde der badische Experte Johann Gottfried Tulla (1770–1828) mit der technischen Erarbeitung des Projekts betraut. Tullas Gehilfen brachten zum Beispiel die Faschinenbündel an, mit denen der Fluss verengt wurde und durch höhere Fliessgeschwindigkeit sein Bett selber vertiefte. Auch in technischer Hinsicht war die Linthkorrektion das erste wegweisende Schweizer Grossprojekt.
Vom Walensee zum Zürichsee
Hochwasser erschwerte die Bauarbeiten immer wieder. Trotzdem war 1812 das Kanalstück zwischen Weesen und Ziegelbrücke, der neue Seeabfluss, fertig erstellt und die Linth 1815 bis Giessen korrigiert und 1816 bis zur Grynau in ein gerades Flussbett gebracht. Als Hans Konrad Escher 1823 starb, war «sein» Linthwerk aber noch nicht vollendet. Die Kantone übernahmen den weiteren Ausbau. Nach 1862 leitete der Diesbacher Gottlieb H. Legler (1823–1897) als Linthingenieur die Arbeiten. Er baute ab 1866 das letzte Kanalstück von der Grynau bis zur Einmündung in den Obersee.
Projektänderungen während der langen Bauzeit
Die Linthkorrektion beanspruchte viele Jahrzehnte. In diesem langen Zeitraum führten die gewandelten Bedürfnisse immer wieder zu Projektänderungen. Ausbauten erforderte zum Beispiel die zusätzliche Nutzung des Kanalwassers für die Industrie im Glarnerland. Technisch nötig war die Verlängerung des Escherkanals und eine Absenkung des Walensees durch das neu aufgeschüttete Fluss-Delta, die Ingenieur Richard La Nicca (1794–1883) leitete.
Camillo Salvetti: Plan der Linthmündung in den Walensee, 1843, mit der geplanten Vorstreckung.